Titel: | „Die Zeit“ |
Jahr: | 2019 |
Maße: | 55 cm hoch x 35 cm breit |
Material: | Stickerei auf Collage von Zeitzeugnissen aus Papier, Tüllapplikation, Stopfgarn |
Technik: | Plattstich, Applikation |
Häufig bekomme ich Stickgarnreste geschenkt, in „Wundertüten“, wie ich sie immer liebevoll nenne. Denn darin finden sich immer wieder Überraschungen. Die meist älteren Damen, die mir das verehren, haben ihre Reste auf das aufgewickelt, was aus Papier ist und sich in ihrem Umfeld findet, vor ihrer Nase sozusagen und damit ein wichtiges Stück Zeitzeugnis darstellt. Ich wickele das Garn ab und stoße zum Beispiel auf Kinoprogramme, Stücke von Zeitungen, Quittungen von Einkäufen in Handarbeitsgeschäften und vieles mehr. So weiß ich, dass ein Döckchen Mattgarn am 12. September 1961 stolze 0,28 DM gekostet hat und damals auf der Neusser Straße in Köln ein Handarbeitsgeschäft war…
Alle diese Papier-Zeitzeugen stammen aus einer Zeit, in der meine Tante mich das Sticken lehrte. Sei spiegeln aber auch die Zeit, die man sich zum Sticken nimmt und die seit damals vergangen ist. Im Andenken an meine Tante, die zum Ende ihres Lebens fast blind war, habe ich mit „tanzenden“ Buchstaben gestickt. Sie schrieb noch viele Briefe – natürlich von Hand -, konnte aber leider nicht mehr gerade schreiben. Dann habe ich sie getröstet und ihr erzählt, dass ihre Buchstaben tanzen, weil sie sich freuen, dass sie noch Briefe schreibt.
Über alle diese Erinnerungen hat die Zeit den Schleider des Vergessens gebreitet.
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