“Whan that Aprille, with hise shoures soote,
the droghte of March hath perced to the roote
and bathed every veyne in swich licour
Of which vertu engendred is the flour;
Whan …”
Die Übersetzung lautet ungefähr so:
„Wenn es Frühling wird und die Säfte steigen, juckt es den Pilger in den Füßen und dann geht er los …“. Mir geht es genauso.
Der Text, das ist der Anfang des Prologs der Canterbury tales und genau so viel davon habe ich auf den umlaufenden Rand gestickt.
Die „Canterbury tales“, das sind Erzählungen aus dem 14. Jahrhundert, die von Geoffrey Chaucer von ungefähr 1387 an geschrieben wurden. Zwei von ihnen sind in Prosa, die übrigen in Versen verfasst. Die Erzählungen, von denen nicht alle als Original gelten, sind in eine Rahmenhandlung eingebunden, die von einer Pilgergruppe auf ihrem Weg von Southwark, einem Vorort von London, nach Canterbury handelt, wo sie das Grabmal von Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury besichtigen wollen. Der Wirt des „Tabard Inn“ schlägt den dreißig Pilgern vor, auf dem Hin- und Rückweg je zwei Geschichten zu erzählen, mangels Radio und Fernsehen damals die gängige Abendunterhaltung. Und er verspricht dem besten Erzähler als Preis eine Gratismahlzeit. Dass die übrigen Reisenden dann auch bei ihm einkehren werden, damit hat er sicherlich auch gerechnet. Recht geschäftstüchtig, wie ich meine.
Pilgern, das war das Wandern im Allgemeinen und Reisen einschließlich Sightseeing im Besonderen der damaligen Zeit. Und es ging zu Fuß, normalerweise, nur „betuchte“ Zeitgenossen konnten es sich leisten zu reiten oder gar mit einer Kutsche zu fahren.
Pilgern, das ist heute wieder „in“, wie man sagt. Spätestens seit Hape Kerkeling sagte: „Ich bin dann mal weg!“, geht alle Welt wieder auf Pilgertour, gerne auch nach Santiago di compostela in Spanien. Der Pilgerweg dahin war mir seit den 1970er Jahren bekannt und ich habe lange warten müssen, bis es meine persönliche Situation erlaubte, diesen Weg anzutreten. 2007 war es endlich soweit. In fünf jährlichen Etappen habe ich die rd. 2.500 km von meiner Haustüre bis nach Finisterre am Meer zurückgelegt. Und immer im Gepäck dabei: eine Stickerei.
Aus vielen kleinen Teilen ist dann irgendwann dieser Quilt entstanden. Ich habe alles verarbeitet, das mir in die Finger fiel, zumindest größtenteils aus Baumwolle und im Untergrund weiß war. Da finden sich ein Probelappen von maschinengenähten Knopflöchern, ein Taschentuch meines Vaters, Musterstücke für Bettwäsche, usw., usw. Gestickt habe ich in gelb und in allen Stichen und Techniken, die mir nur so eingefallen sind, teils nach Vorlagen, größtenteils aber wie immer ohne, so aus der Hand.
Für den umlaufenden Text habe ich eine Schrift verwendet, die an die Zeit der Entstehung der Geschichten erinnert: Old English Text MT, wie früher mit einem Federkiel geschrieben und das melierte Garn lässt an vergilbte alte Handschriften denken.
Die Rückseite besteht aus einem alten Leinen-Betttuch, das ich auf die Vorderseite umgeschlagen habe. An der Oberkante habe ich Langettenbögen gearbeitet, so wie an den alten Umschlaglaken unserer Großmütter.
Wenn ich heute diesen Quilt betrachte, bekomme ich gleich gut Laune.